Newsticker

Sonntag, 22. April 2012

"Sie töten uns" - Der weltweit am stärksten bedrohte Stamm bittet um Hilfe


Unaufhörlich rollen die mächtigen Transporter der Holzfirmen auf den Feldwegen des Amazonas voran. Stets beladen mit dicken Baumstämmen, gewonnen aus der Abholzung des Regenwalds. Doch die Ermittlungsbeamten getrauen sich nicht einzugreifen, schließlich werden die Konvois von meist schwer bewaffneten Männern begleitet. Alles was die Vermittlungsbeamten können, ist dieses Verbrechen an der Menschheit zu dokumentieren, als Beweis für die fortschreitende Zerstörung des Regenwalds, sowie der Ausrottung eines der letzten freien Stämme - der Awà.


Das bezeichnende an dem Video ist die Umgebung des Landweges. Normalerweise müsste er von den dichten Baumalleen des Regenwalds umgeben sein, doch es sind keine Bäume mehr zu sehen. Nichts als verdörrtes Gras und Gestrüpp.
Es ist nicht nur die Abholzung, die dem Stamm der Awà zu schaffen macht. Massenweise strömen Menschen in ihr Gebiet, meist Großfarmer, deren Vieh die Lebensgrundlage der Awà zerstört. Die Awà sind den Farmern ein Dorn im Auge. Daher beschäftigen sie sogenannte Pistoleros um die Awàs auszurotten. Ein brasilianische Richter bezeichnet diese Geschehnisse unlängst zurecht als Völkermord. Eine große Mitschuld an dem Massaker tragen die europäischen Politiker.


Die Probleme begannen mit einer Entscheidung der EU (damals noch EWG) und der Weltbank, in den Carajas-Bergen entdeckte Eisenerz-Vorkommen abzubauen. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gab der brasilianischen Regierung 600 Millionen Dollar um eine Eisenbahnstrecke von den Gruben bis zur brasilianischen Küste zu bauen. Als Bedingung verlangte Europa ein Drittel des abgebauten Eisenerzes, dass man aufgrund der Verbrechen gegen die dort ansässigen Stämme mittlerweile ruhig als "Bluterz" bezeichnen kann.

Die ageholzten Zonen Brasiliens
Die Eisenbahnstrecke geht mitten durch das Gebiet der Awà und mit der Eisenbahn kamen die Kolonisten und Holzfäller. Seitdem wurde ein Drittel des natürlichen Lebensraums der Awà zerstört. Außerdem wurden die Awà ihnen unbekannte Viren ausgesetzt, gegen die sie keine Immunität besitzen. Viele Awà starben an dem, was für uns nur eine leichte Verkühlung ist.
Nun hat sich eine Gruppe (Survival Internationale) rund um Colin Firth entschlossen, den Kampf gegen dieses unsittliche Treiben aufzunehmen. In einem Videoaufruf will Firth die brasilianische Regierung bitten, endlich Polizisten in dieses Gebiet zu schicken, um den Genozid an den Awà zu verhindern.

Die Forschungsdirektorin von Survival International meint dazu: "Die Awà sehen den Wald als ihre Lebensgrundlage. Gibt es ihn nicht mehr können sie ihre Kinder nicht mehr ernähren und werden sterben. Doch es ist nicht nur die Zerstörung des Waldes, es ist die Gewalt der Pistoleros, die den Awàs zu schaffen macht. Ich habe mit Awàs gesprochen deren ganze Familie hingerichtet wurde, einfach ausgelöscht. Die Westliche Welt schaut diesem Treiben nicht nur zu, sondern hält sich daran gütlich. Sie schlagen aus dem Leid dieser Menschen Kapital."

Im Gegensatz zu den Menschen im Westen, die sich selbst als intelligent und gebildet bezeichnen, um dann die eigene Umwelt zu zerstören, hegen die Awà einen vorbildlichen Umgang mit der Natur. Wenn sie ein junges Tier finden, dass seine Eltern verloren hat und sich noch nicht selbst ernähren kann, nehmen sie es auf als wäre es ihr eigenes Kind. So kann es schon mal vorkommen, dass eine Awà-Frau die Kreatur sogar säugt. Was in unseren Ohren äußerst bizarre klingt, ist für die Awàs ganz normal. Sie haben keinen Ekel vor der Natur, sie ekeln sich ausschließlich vor der Zerstörung dieser.

Eine Awà-Frau meint: "Die Eindringlinge vertreiben die Tiere aus dem Wald. Sie nehmen uns unsere gesamte Lebensgrundlage, was sollen wir essen? Was wollen diese Menschen überhaupt? Wir leben hier seit Urzeiten, es ist unser Land. Diese Menschen haben kein Recht uns unseres Landes zu berauben und alles zu zerstören."

Ein Awà-Mann namens Karipiru erzählt: " Ich musste zusehen, wie meine Mutter, meine Frau und meine Kinder von den Farmern getötet wurden. Bei dem Gemetzel erlitt ich eine Verletzung die ich nicht behandeln konnte, da sie am Rücken war. Ich flüchtete durch den Wald, stets verfolgt von den Pistoleros. Wie ich entkommen konnte und warum ich meiner Verletzung nicht erlegen bin, weiß ich nicht. Wahrscheinlich ist mir Tupà (der Waldgott) beigestanden."

Survival International setzt sich aber auch für andere Stämme ein. So deckten sie unlängst ein Verbrechen auf, wie es sich nur geldgeile Kapitalisten ausdenken können. Sie organisierten menschliche Safaris durch geschützte Gebiete und ließen Frauen und Kinder der einst stolzen Jawara halbnackt für sich tanzen. Als Lohn gab es ein wenig Essen für Menschen, die sich früher sehr gut selbst ernähren konnten.


Die Westmächte müssen endlich Verantwortung für ihre Taten übernehmen. Die Gelder der EU und der Weltbank machten die Verbrechen an diesen Menschen erst möglich. Ganz zu Schweigen von der Zerstörung der Umwelt, die uns alle betrifft.

Die Survival International-Kampagne zur Rettung der Awà startet nächste Woche. Die Zeit drängt. Der einst riesige Awà-Stamm wurde nahezu ausgerottet und umfasst nur noch 355 Mitglieder.

Quelle: The Guardian

Themenbezogener Beitrag:
Moderne Sklaven (1) - Echte Sklaverei im 21. Jahrhundert 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen